Von verzichtbaren und unverzichtbaren Wehren
Wehre im Fluss stellen Hindernisse für die ökologische Durchgängigkeit dar. Warum gibt es Wehre und wie gedenkt der Wasserverband Eifel-Rur damit umzugehen? Ein Gespräch mit Dr. Antje Goedeking vom UB Gewässer
Frage:
Frau Dr. Goedeking, im Einzugsgebiet der Rur finden sich in den Flussläufen viele Wehre. Was hat es damit auf sich?
Dr. Antje Goedeking:
Die Gründe für den Bau der Wehre lassen sich – grob gesagt – in zwei Punkten zusammenfassen: Zum einen stauen sie im Flusslauf Wasser auf, das hinter dem Wehrkörper abgeschlagen und Industrie- und Gewerbebetrieben zugeleitet wird. Zum anderen sind in der Vergangenheit viele Flussabschnitte aufgrund menschlicher Ansprüche begradigt worden. Das hatte eine Laufverkürzung zur Folge. Das Gewässer überwindet das Gefälle in einer kürzeren, steileren Strecke. Es wird schneller und kann sich dadurch auch in den Untergrund eingraben. Wehre sorgen hier für einen Ausgleich.
Frage:
Wehre stellen ja Querbauwerke im Gewässer dar, die oft eine Fallhöhe von mehreren Metern haben. Hat das nicht Auswirkungen auf die Lebewesen im Fluss?
Dr. Antje Goedeking:
In jedem Fall stellen Wehre Hindernisse dar, die von Gewässerlebewesen zumeist nicht passiert werden können. Dies trägt zur ökologischen Verarmung der Gewässer bei. So ist es etwa vielen Fischen nicht möglich, die Hindernisse zu überspringen, die freie Wanderung wird unterbrochen.
Frage:
Was kann der Wasserverband tun, um die Hindernisse zu beseitigen?
Dr. Antje Goedeking:
Der Wasserverband wendet zwei Strategien an: Einerseits wird durch eine abschnittweise, naturnahe Umgestaltung der Gewässer die Lauflänge des Flusses wieder erhöht. Dadurch kann ein Wehr dann dort geschliffen werden. Andererseits ist dies nicht überall möglich, vor allen Dingen, wenn der Aufstau aus gewerblichen und industriellen Nutzungsinteressen erhalten bleiben muss. Dann wählt der Verband den Weg, ein Wehr durch eine Fischaufstiegsanlage durchgängig zu machen.
Frage:
Man hört hier immer wieder das Stichwort „Lachs“…
Dr. Antje Goedeking:
Der Lachs war früher in der Rur heimisch. Er wächst im Fluss auf, wandert dann ins Meer ab und kommt zum Ablaichen wieder in seinen „Heimatfluss“ zurück. Dazu braucht er natürlich eine Durchgängigkeit der Fließgewässer bis zum Meer. Deswegen ist er ein Indikator dafür, ob eine Durchgängigkeit auch tatsächlich besteht.
Frage:
Wie lange wird es denn dauern, bis der Lachs als Rückkehrer vom Meer wieder in der Rur gesichtet werden kann?
Dr. Antje Goedeking:
Der Lachs kann bisher bereits wieder vom Meer über die niederländische Maas bis in die Rur im Kreis Heinsberg gelangen. Auf deutscher Seite sind jedoch noch einige Hindernisse zu beseitigen. Dazu braucht es aber nicht nur bauliche Maßnahmen. Es stellen sich bei Renaturierungen Fragen des Flächenerwerbs und letztlich muss auch eine Akzeptanz bei der Bevölkerung geschaffen werden. Die Wehre sind ja aus bestimmten gründen gebaut worden. Hier hat jetzt nach und nach ein Umdenken eingesetzt.
Bis der Lachs also wieder frei wandern kann, ist es noch ein langer Weg. Jedoch kommt jede Einzelmaßnahme im Gewässer natürlich auch den Fischen zugute, die nicht ins Meer abwandern, sondern im Fluss verbleiben und somit mehr „Strecke“ zur Verfügung haben.
Frage: Können Sie uns ein markantes Maßnahmenbeispiel für eine anstehende Umgestaltung eines Wehres nennen?
Dr. Antje Goedeking:
Ein Beispiel für eine zukünftige Maßnahme haben wir gerade am Lendersdorfer Wehr öffentlich vorgestellt. Das Wehr ist eines der großen Rurwehre, ist schadhaft und muss sowieso saniert werden. Sein Aufstau dient der Versorgung von Industrie- und Gewerbebetrieben in Düren. Es muss also erhalten bleiben. Wir werden es aber zugleich um eine Fischaufstiegsanlage erweitern, sodass es in Zukunft sowohl standsicher ist, aber auch durchgängig sein wird. Hier werden beide Aspekte also miteinander verbunden. Die Bürgerinformationsveranstaltung, übrigens noch vor dem eigentlichen Planfeststellungverfahren, hatte hier das klare Ziel, die örtliche und die interessierte Öffentlichkeit frühzeitig mit einzubeziehen und dadurch die Akzeptanz der Maßnahme zu erhöhen.
Die Fragen stellte Marcus Seiler
Link zur Pressemitteilung zur Bürgerinformationsveranstaltung über die Umgestaltung des Lendersdorfer Wehres:
https://wver.de/lendersdorfer-wehr-wird-saniert-und-durchgaengig-gemacht/
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